Der Jubiläumshund heißt Livi und sitzt gerade schmollend unter dem Tisch zu meinen Füßen. Sie und Trixie hatten jede ein Schweinsohr und ein Stück Rinderlunge (getrocknet, kalorienarm) zur Feier des Tages und hätten gerne mehr.
Heute vor vier Jahren kamen wir noch bei Tageslicht, aber spät zuhause mit unseren jetzt zwei Schätzen Emma und Livi an. Die ganze Fahrt hatte Livi sich nicht von der Stelle gerührt und war starr vor Angst auf der Rücksitzbank neben Emma gelegen. Die ganzen drei Stunden hatte sie keinen Mucks gemacht. Zuhause fuhren wir in unsere Einfahrt. Emma sprang aus dem Auto, Livi musste herausgezogen und getragen werden. Das nächste Problem. Sie wollte keinen Schritt machen. Wollte sich nur verkriechen und drückte sich ans Auto. Es kam uns grausam vor, sie an der Leine zu zerren. Daher trugen wir sie kurzerhand ins Haus, während sie erneut vor Angst pieselte. Drinnen hatte ich schon die Gartentür geöffnet und sie stürmte sofort raus. Das Problem mit ihr unbekannten Eingängen hat Livi heute noch. Auch schmale Durchgänge oder alles, was wie eine Zwingerreihe aussieht, versetzt sie in helle Panik. Es kann sein, dass sie mitten im Lauf aus heiterem Himmel stehen bleibt und nicht einen Schritt weiter geht. Nichts zu machen.
Aber vor vier Jahren besserte sich ihre Angst in Haus und Garten sehr schnell. Das war vor allem Emma zu verdanken. Emma merkte sofort, dass Livi Angst oder sogar Panik hatte. Irgendwie kommunizierten sie und Livi wurde ganz schnell ruhiger. Als es dann bald Fressen gab, und bei uns sonst nichts passierte, fasste sie Zutrauen zu uns. Wir saßen erst noch im Garten und ließen sie zur Ruhe kommen. Livi schmuste auch gleich und ließ sich streicheln. Livi orientierte sich total an Emma. Die anfängliche absolute Panik vor allem Unbekannten und ihre Angststarre legten sich zusehends.
Auf diesem Bild sieht man ganz deutlich ihr noch geschwollenes Gesäuge. Wie sich später herausstellte, war ein der Zitzen auch stark entzündet. Auf der Vermehrerfarm hätte sich kein Mensch darum gekümmert.
Für mich war es ein unglaubliches Glücksgefühl, mit jeder Hand deinen Hund zu fühlen, zu sehen, wie Emma trotz ihrer sicherlich vorhandenen Eifersucht ganz gelassen blieb und Livi unterstützte und wie aus dem Angstbündel Livi eine kleine Schmusebacke wurde, die einen auf Schritt und Tritt verfolgt. Und zu wissen, es sind deine Hunde und dass nun alles noch schöner wird. Für mich war es die Komplettierung der Familie. Da wir keine Menschenkinder haben, waren das nun meine beiden Hundekinder. Das Verhältnis zu Emma war natürlich ein anderes, weil sie von klein auf bei uns war, aber man liebt seine Familienmitglieder ja auch jedes auf eine besondere Art und Weise. So ist es bei uns auch. Die Gefühle für Livi waren auch gleich da, aber das ganz Innige, das Zusammenwachsen, das kam dann erst später.
Wir konnten später am Tag sogar noch einen Spaziergang mit den beiden in den Reben machen, wozu sie wieder ins Auto musste. Natürlich mit Rein- und Raustragen. Aber es ging deutlich besser. Da sie mich verfolgte wie ein Entenküken die Entenmama konnte sie sogar ohne Leine laufen.
Sie schaute sich von Emma ab, wie und wo man seinen Haufen am besten ablegt. und sie sah sich immer wieder um als ob sie es nicht fassen könnte, in Freiheit herum zu laufen. Im Grünen, soweit sie sehen konnte. Dieser kleine braune Labrador in der großen weiten Welt.
Ich weiß noch genau, wo wir damals liefen und wie glücklich ich war. Es war unfassbar. Ich war stolz wie Oscar und dachte immer, jeder müsse Livi gleich aus dem Internet, und dort aus ihrem Pflegetagebuch auf der Homepage der Tierschutzvereinigung erkennen. Dass Vermehrerhündinnen trächtig freigekauft werden – unmerklich- ist nicht oft der Fall. Wäre es dem Vermehrer aufgefallen, hätte er sie dabehalten und ihre Welpen und sie hätten das gleiche traurige Schicksal erlebt wie Livi zuvor. Leben würde Livi dann nicht mehr. Man darf eigentlich nicht darüber nachdenken (und muss es aber tun, dazu aber später).
Aber so freuten wir uns alle, dass Livi frei und bei uns war und dass es wenigstens dieses Mal ein glückliches Ende gegeben hatte.
Die erste Nacht schlief ich mit Livi unten im Wohnzimmer, da sie ja keine Treppen steigen konnte. Wir wollten sie ja auch nicht gleich überfordern, so dass ich mir mein Bett auf dem Sofa richtete. Livi hatte Angst, als es dunkel wurde, auch vor dem Geräusch, den ein Rolladen beim Runterlassen oder Raufziehen macht. vor dem Geräusch, den Lichtschalter zu betätigen, vor Klatschgeräuschen, und und und. Sie kannte das ja alles nicht. In ihrem kleinen Verschlag mit Dreck und Stroh und ohne Licht war ja außer dem Deckakt , dem Gebären, Säugen, Getrennt-Werden, der Angst und den Schmerzen nichts los gewesen. Ich ließ daher ein Licht an. Emma, die zuerst wie immer hoch ins Bett gegangen war, kam nach einer Weile empört runter, weil ich nicht wie gewohnt raufkam und schlief bei mir auf dem Sofa. Livi passte sich ja an Emma an und machte ihr alles nach, so dass sie gleich gelernt hatte, dass es sich dicht bei Mami besser schläft, so dass sie ihr Körbchen ebenfalls veschmähte und wir zu dritt auf dem Sofa lagen.
Es war eine relativ ruhige Nacht. Ich selbst schaute immer wieder, ob alle noch da waren und konnte mich nur freuen und gerührt und glücklich sein.
Der nächste Morgen…abgesehen von der Angst vor dem Rolladengeräusch und dem des Zeitungsträgers kann man sich nicht vorstellen, wie ein so kleines Hundemädchen sich so unsagbar freuen kann, wenn es einen zu Gesicht bekommt. Livi schlug die Augen auf, realisierte wohl gleich, wo sie war und freute und freute und freute sich. Sie ächzte und hechelte und der ganze Hund bebte. Und das ist noch heute so, wenn sie morgens aufwacht und mich sieht. Wenn ich kmittags nach hause komme und sie begrüße, wenn ich weg war und zu ihr zurück komme. Es ist unglaublich schön und ich liebe sie so sehr und will sie jede Sekunde ihres Lebens glücklich machen. Sie soll nie wieder leiden, nie wieder Angst haben. Dieses Versprechen gab ich ihr heute vor vier Jahren und ich denke, sie fühlt genauso. So dass wir unsere Versprechen gegenseitig jeden Tag wieder erneut erfüllen. Forever with me.