Heute ist Samys Geburtstag. Er wird neun Jahre alt.
Ich hoffe, dass irgendjemand außer meiner Schwester und mir an ihn denkt und ihm wenigstens im Geiste zum Geburtstag gratuliert. Denn leider haben wir nur noch über mehrere Ecken Kontakt zu Samys Herrchen und daher auch keine Möglichkeit, ihn zu sehen.
Samy verdanke ich einen der bewegendsten und schönsten Momente in meinem Leben.
Es begann an Weihnachten 2007, als mein Mann mir als Geschenk eine Patenschaft für einen Tierschutzhund meiner Wahl machte. Da ich in dem Verein, in welchem ich damals aktiv war, bereits zwei Patenschaften hatte und gleichzeitig bei sans frontières so viele Labradore im Tierheim saßen, sah ich mich dort nach einem Patenhund um. Und siehe da, bei „Extreme Notfälle“ war Samy gelistet, ein blonder Labradorrüde, geb. 2001. Es gab nicht viel Infos, außer, dass er in einem Garten gehalten wurde und den neuen Lebensgefährten seines Frauchen wohl nicht mochte und ihn gebissen haben sollte. Daher musste sein Frauchen ihn in das französische Tierheim geben. In Frankreich werden Hunde, bei denen nur der Verdacht besteht, dass sie gebissen hätten, relativ schnell eingeschläfert. Ich entschloss mich daher, Samy beizustehen und übernahm eine Patenschaft. Ich richtete einen Dauerauftrag über 10 Euro im Monat ein, füllte das Patenschaftsformular aus und schrieb eine Mail an den Verein. Ich bekam eine nette Mail zurück mit der Telefonnummer der Dame, die für die Hunde in dem französischen Tierheim zuständig ist. Ich rief sie Anfang Januar an. Sie freute sich über meinen Anruf und dass ich Samy besuchen wollte. Allerdings sagte sie auch, dass ich bald kommen müsse, da es allmählich eng würde, er sei extremst gefährdet und vom Tode bedroht. Auf Nachfrage teilte sie mit, dass das Tierheim ziemlich überfüllt sei und dass daher daran gedacht würde, schwer vermittelbare Hunde, zu welchen Samy zählte, einzuschläfern, um Platz zu schaffen.
Ich war geschockt und verabredete mich mit der Dame für den kommenden Samstag am Grenzübergang, damit ich hinter ihr her zum Tierheim fahren konnte. Ich sammelte bis dahin Spenden in Form von Hunde-Dosenfutter, Decken, Spielzeug, eben alles Mögliche und fuhr mit einer lieben Freundin hin. Da ich glücklicherweise im Verwandten- und Bekanntenkreis die schockierende Neuigkeit erzählt hatte, dass Samy womöglich eingeschläfert werden sollte, wenn sich nicht bald etwas für ihn fände, meldete sich überraschend eine halbe Stunde bevor wir losfuhren, meine Schwester. Ein Bekannter von ihr würde Samy übergangsweise in Pflege nehmen, bis sich etwas anderes für ihn gefunden hätte. Der Bekannte habe Erfahrung, eine Wohnung mit Gartennutzung, in der Hundehaltung erlaubt sei und sie traue ihm das zu. Mit dieser freudigen Nachricht fuhren wir nach Frankreich.
Dort angekommen, mussten wir erst mal mit der Situation „französisches Tierheim“ fertig werden. Auch wenn dieses eine sicher noch ein super-schönes, komfortables Tierheim im Vergleich zu anderen französischen Tierheimen ist, so war es im Vergleich u deutschen Tierheimen doch deprimierend. Dazu an anderer Stelle mehr.
Wir berichteten freudestrahlend, dass wir beabsichtigten, Samy mitzunehmen. Seine Gassigängerin holte ihn uns aus dem Zwinger. Man wollte ihn nicht einfach so mitgeben, wir sollten erst mal mit ihm spazieren gehen und uns kennen lernen.
Und da war er: ein Labrador, blond, stürmisch, mit sonnigem Gemüt, freute sich wie verrückt, aus dem Zwinger zu kommen. Er war allein im Zwinger und die ganze Woche nicht gelaufen, das hieß für ihn, dass er die ganze Zeit nicht „gehauft“ hatte und so wenig wie möglich gepinkelt….
Er zog wie bekloppt und wir gingen erst mal mit ihm spazieren. Samy war zu andren Hunden total freundlich und aufgeschlossen, er schnüffelte und pinkelte und freute sich, draußen zu sein.
Als wir zurückkamen, wollte man ihn uns abnehmen um ihn in die Box zurückzubringen. Ich weigerte mich. „Er kommt mit uns mit, ich lasse ihn nicht da“ sagte ich immer wieder, wer wusste, ob er nächste Woche noch da sein würde… Ich hatte solche Angst um diesen lieben Schatz. Erneut berichtete ich von der Pflegestelle. Man war skeptisch, zumal Samy wohl auch eine der Pflegerinnen geschnappt hatte, die er nicht mochte. Man fand, es sei ein zu großes Risiko ihn gehen zu lassen. Auch der Tierarzt habe darauf gedrängt, ihn einzuschläfern. Ich sah das anders.
Nach einigem Hin und Her mit der Tierheimsleiterin, die im Übrigen sehr nett ist, musste ich im Büro den Papierkram erledigen. Ein Pflegevertrag unter Vorlage meines Ausweises und eine Erklärung, dass man das Tierheim nicht haftbar machen würde, wurden ausgefüllt und aufgesetzt und unterschrieben. Meine Freundin wartete solange wie ein Fels mit ihm im Hof. Wir wollten nicht das Risiko eingehen, ihn dann doch dort lassen zu müssen. Letztendlich war endlich alles erledigt und nach einem Abschiedsfoto gingen wir mit Samy in die Freiheit.
Er sprang wie selbstverständlich in mein Auto, schnüffelte intensiv nach dem Duft meiner Schätze und legte sich auf die Rücksitzbank. Unterwegs setzte er sich dann auf und sah lange raus an den Himmel. Als ob er es nicht fassen könne. Es war für mich ein unbeschreibliches Gefühl, einen Hund buchstäblich vor dem Tod gerettet zu haben. Ich war so glücklich! Samy war die ganze Fahrt nur brav. Ich steckte immer wieder meine Hand nach hinten und streichelte ihn.
Zuhause angekommen begrüßten Emma und Livi uns empört. Emma fand es eine Unverschämtheit, dass ich einen fremden Hund mitbrachte und knurrte und bellte Samy ständig an. Samy markierte Wohnung und Garten und scherte sich nicht darum sondern versuchte vielmehr seinerseits, Emma und Livi zu besteigen. Es war sehr turbulent bis meine Schwester und Samys Pflegeherrchen kamen. Auch ihnen gegenüber freute sich Samy ohne Ende und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Er sah aber immer wieder an den Himmel, so nach dem Motto „Endlich frei“. Es war bewegend und schön. Als ein paar Jugendliche Böller knallen ließen, erschrak er sich furchtbar, er war dann froh, als er im Auto seines Pflegeherrechens saß. Ich sah ihnen noch eine weile nach und musste vor lauter Glück weinen. Den ganzen Abend war ich noch vollkommen überwältigt von den Eindrücken des Tages. Diese Spannung, ob wir ihn frei bekommen, der Anblick des Tierheims und seiner verzweifelten unschuldigen Insassen, das Gefühl, einen gerettet zu haben, aber andererseits die Trauer und Hilflosigkeit, zig andere zurück zu lassen…. Es war ein bedeutender Tag, den ich nie vergessen werde. Heute lebt Samy mit einem Hundekumpel auf einem Reiterhof. Man muss immer schauen, dass er nicht unbeaufsichtigt ist und nicht mit Kindern oder zierlichen Personen alleine ist. Er hat Momente, in welchen er sicher an schlimme Erfahrungen oder Menschen aus seiner Vergangenheit erinnert wird, dann ist er nicht leicht kontrollierbar.
Im Großen und Ganzen ist er aber ein fröhlicher, glücklicher Hund in Freiheit, der sogar ein Schaf zu seinen Freunden zählt. Ich werde ihn nie vergessen und wünsche ihm heute alles alles Gute und noch ein langes glückliches Leben zum Geburtstag. Mein Samy-Schatz! Ich denke an dich. Foreverwithme.